Österreicher verdienen 30 Prozent weniger als ihre bayerischen Nachbarn, gleich hinter der deutschen Grenze. Nur wenige Menschen wissen das. Und kaum jemand kann das Phänomen erklären.
Dass es in Bayern ein bisschen mehr zu verdienen gibt, das wissen viele Salzburger vom Hörensagen. Aber das Anderthalbfache? Das glaubt uns kein Mensch. „Kann nicht sein!“, hören wir immer wieder. „Woher haben Sie denn diese Daten?“ Egal ob Wirtschaftsexperte, Landesregierung oder Handelskammer. Überall das gleiche. „Mit diesem Phänomen haben wir uns nicht befasst“, sagt selbst die österreichische Wirtschaftskammer, das Pendant zur deutschen Industrie- und Handelskammer. Dutzende Male verweist man uns an andere Stellen, nur um zu erfahren, dass man uns dort genauso wenig helfen kann.
Dabei sind die Einkommensunterschiede beachtlich.
Randnotizen ist ein Projekt des Jahrgangs 2016 der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Wir haben einen Blick an die Grenzen Deutschlands geworfen um zu erfahren, was unsere Nachbarn auf der anderen Seite umtreibt und bewegt. Aus jeder unserer Reisen ist eine Geschichte entstanden.
Die statistischen Bundesämter Österreichs und Deutschlands liefern eindeutige Fakten: Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräfte erhalten in Deutschland einen durchschnittlichen Jahresbruttolohn in Höhe von rund 42.600 Euro, in Bayern mit 45.200 Euro sogar noch ein wenig mehr. Doch schaut man hinter die deutsche Grenze, ins österreichische Bundesland Salzburg, ist das Verdienstniveau deutlich geringer. Nur 30.700 Euro verdienen sie hier jährlich, das 13. und 14. Monatsgehalt, wie sie in Österreich üblich sind, bereits eingerechnet. Das bedeutet: Der durchschnittliche Bayer bringt gut 47 Prozent mehr als der durchschnittliche Salzburger nach Hause.
Die Steuern sind vergleichbar, die Preise in Österreich liegen sogar rund fünf Prozent über den deutschen.
Am dramatischsten ist der Unterschied bei den Teilzeitbeschäftigten. In Bayern verdienen diese im Jahresdurchschnitt 60 Prozent mehr als ihre Kollegen auf der österreichischen Seite. Und das in einem Land, das die meisten Deutschen wohl kaum als Billiglohnland bezeichnen würden.
Ärzte zum Beispiel verdienen in Deutschland bis zu 20 Prozent mehr als in Österreich. „Besonders in der bayerischen Landeshauptstadt München ist das Lohnniveau schon immer höher gewesen“, sagt Werner Eibenberger, Personalreferent des Landes Salzburg „Das ist historisch geprägt.“ Die Konjunktur, so erklären es mehrere Gesprächspartner, sei in Deutschland einige Jahrzehnte lang bedeutend besser gelaufen als in Österreich. Deutsche Arbeitnehmer hätten daher oft bessere Positionen in Lohnverhandlungen gehabt und regelmäßig Lohnerhöhungen erstritten – anders als im Nachbarland.
Bei den Ärzten führte das Einkommensgefälle schließlich dazu, dass immer mehr Mediziner aus Salzburg weggingen. Der Salzburger Personalreferent Werner Eibenberger und seine Kollegen sahen, wie das Land zunehmend unter Druck geriet. Vor zwei Jahren hoben sie die Gehälter für einige Bedienstete des Landes, darunter Ärzte, schließlich an.
In Bayern zieht die Millionenstadt München das Lohnniveau statistisch nach oben. Für die österreichische Metropole Wien gilt indes nicht dasselbe: Sie bietet keine besseren Löhne als auf dem Land. Die Durchschnittsgehälter der knapp zwei Millionen Einwohner liegen sogar etwas unter dem Landesdurchschnitt, etwa auf dem Niveau der neuen Bundesländer in Deutschland.
Die Lohnunterschiede besonders bei den Teilzeitbeschäftigten hängen mit der Struktur der österreichischen Wirtschaft zusammen, glaubt Florian Preisig von der Arbeiterkammer Salzburg.
Im Land Salzburg sind 18 Prozent der Beschäftigten im Handel angestellt und zehn Prozent im Tourismus. „In diesen Branchen arbeiten die Menschen oft nur sehr wenige Stunden pro Woche“, erklärt Wirtschaftsforscher Preisig. Das alleine drückt schon die Durchschnittsverdienste. Noch dazu gehören Arbeitskräfte in solchen Branchen zu den am schlechtesten Bezahlten, sagt er. Das wirke sich doppelt negativ auf die Gehälter aus.
Die Arbeiterkammer ist die gesetzliche Vertretung der Arbeitnehmer in Österreich, die neben den Gewerkschaften besteht. Die meisten Angestellten in Österreich sind Pflichtmitglieder, nur wenige Branchen sind ausgenommen. Die Arbeiterkammer darf Gesetzesentwürfe begutachten und arbeitet eng mit den Gewerkschaften zusammen.
In Deutschland hingegen sind nur 17 Prozent der Beschäftigten in Handel und Tourismus tätig. Entsprechend kleiner ist der Anteil der Geringverdiener hierzulande. „Ich glaube aber nicht, dass eine Verkäuferin in Bayern bei gleicher Arbeitsleistung mehr verdient als eine in Österreich“, stellt Preisig klar.
Einen gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Österreich nicht, dafür haben die Gewerkschaften größeren Einfluss. Sie handeln Kollektivverträge aus, die – anders als in Deutschland – für alle Beschäftigten der Branche gelten. Rund 95 Prozent der Arbeitnehmer werden daher nach Tarif bezahlt. Im Tourismus und Handel sind die Tariflöhne trotzdem niedrig, weil die sonst so starken Gewerkschaften ausgerechnet in diesen Branchen schwächeln. „Die Hire-and-Fire-Mentalität und die viele Saisonarbeit sind verantwortlich dafür“, sagt Helmut Gaisbauer vom Zentrum für Ethik und Armutsforschung an der Universität Salzburg. „Als Arbeitnehmer ist man in diesen Branchen relativ leicht zu ersetzen.“ Die Arbeit sei zwar oftmals schwer und stressig, erfordere aber keine sonderlich hohe Qualifikation.
Immerhin haben die Österreicher doppelt so hohe Rentenansprüche wie wir Deutschen. Doch das hilft unseren Nachbarn letztlich kaum weiter: Der deutsche Durchschnittsverdiener hat jährlich 12.000 Euro mehr in der Tasche als der Österreicher. Würde er dieses Geld 40 Jahre lang ansparen, so lägen zum Renteneintritt 480.000 Euro bereit. Das wären bei den durchschnittlich 19 Rentenbezugsjahren rund 25.000 Euro jährlich – zusätzlich zu den gesetzlichen Rentenbezügen. Da hält die höhere österreichische Rente bei weitem nicht mit.
Randnotizen ist ein Projekt des Jahrgangs 2016 der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Wir haben einen Blick an die Grenzen Deutschlands geworfen um zu erfahren, was unsere Nachbarn auf der anderen Seite umtreibt und bewegt. Aus jeder unserer Reisen ist eine Geschichte entstanden.
Die Arbeiterkammer ist die gesetzliche Vertretung der Arbeitnehmer in Österreich, die neben den Gewerkschaften besteht. Die meisten Angestellten in Österreich sind Pflichtmitglieder, nur wenige Branchen sind ausgenommen. Die Arbeiterkammer darf Gesetzesentwürfe begutachten und arbeitet eng mit den Gewerkschaften zusammen.
Wir waren sehr überrascht, als wir im Internet auf eine Datengrafik gestoßen sind, die ein großes Lohngefälle zwischen Deutschland und Österreich zeigte. Das hatten wir nicht erwartet. Nach den ersten Telefonaten fiel uns auf: Auch unseren Gesprächspartnern war das nicht bekannt. Nach hunderten Minuten Gesprächen sind wir dem Phänomen dann aber doch auf die Spur gekommen. Und trotz der Lohndifferenzen: Als Entwicklungsland erschien uns Österreich nicht, Salzburg mit seiner Altstadt ist ein schmuckes Fleckchen. Und auch die Bewohner waren nicht verbittert, im Gegenteil, wir haben sie als sehr herzlich erlebt. In diesem Sinne: „Pfiat di“ (Gott behüte dich).
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