Ein Projekt der Kölner Journalistenschule

Tondern, Dänemark

Von der Protestpartei zum Königsmacher

Die rechtspopulistische Dansk Folkeparti hat sich in Dänemark auf Landes- und Kommunalebene zum akzeptierten politischen Partner entwickelt. An der Grenze zu Deutschland sind die Rechten besonders stark.

Von Niklas Zehbe und Maik Mosheim

Man stelle sich einmal vor: Eine kleine Gemeinde direkt an der deutsch-dänischen Grenze. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) ist mit mehr als zehn Prozent der Stimmen in den Gemeinderat gewählt worden. Die stärkste Partei in der Gemeinde, die CDU, wirbt um die Unterstützung der AfD, damit sie eine Mehrheit im Rat hat. Drei Plätze hat die AfD im Rat, durch die Zusammenarbeit mit der CDU stellen sie sogar den Vizebürgermeister. „Wir versuchen so wenig Flüchtlinge wie möglich in die Gemeinde zu holen“, sagt der Vizebürgermeister frei heraus. „Die anderen Parteien wissen, was wir wollen, und sie versuchen, uns zu helfen.“ Natürlich seien sie nicht so sehr gegen Flüchtlinge in der Gemeinde wie die AfD, doch die Grenze sei ihnen schon sehr wichtig. „Sie sind froh über die Grenzkontrollen, für die die AfD kämpft.“

Klingt unglaublich? Ist ja auch nicht die ganze Wahrheit. Zumindest nicht in Deutschland. Aber wenige Kilometer weiter nördlich ist das Szenario Realität: Mit dem Unterschied, dass man sich nicht mehr in Deutschland befindet, sondern in Dänemark. Und die Partei nicht AfD heißt, sondern Dansk Folkeparti (DF). Der Vizebürgermeister, der sich so offen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in die Gemeinde ausspricht, heißt Bent Paulsen, und die starke Partei im Rat ist nicht die CDU, sondern die liberal-konservative Partei „Venstre“.

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der Bevölkerung in Tondern hat 2015 die national-konservative Dansk Folkeparti gewählt

Randnotizen ist ein Projekt des Jahrgangs 2016 der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Wir haben einen Blick an die Grenzen Deutschlands geworfen um zu erfahren, was unsere Nachbarn auf der anderen Seite umtreibt und bewegt. Aus jeder unserer Reisen ist eine Geschichte entstanden.

Während etablierte Parteien hierzulande jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, ist ihr dänisches Pendant längst eine akzeptierte politische Größe. Gleich an der Grenze ist der Unterschied besonders krass. In den beiden deutschen Grenzkommunen Nordfriesland und Flensburg-Schleswig erreichte die AfD im Vergleich zum Bundesschnitt eher schwache Wahlergebnisse.

Auf der dänischen Seite der Grenze war die DF dagegen sogar stärkste Partei – 29,4 Prozent holte sie in Tondern bei der letzten Folketingwahl 2015. Für Harald Christensen, Gemeinderatsmitglied in Tondern und Politiker der Sozialdemokraten, hat das vor allem einen Grund: „Die Dänen haben im Zuge der Flüchtlingskrise eine gewisse Antipathie gegenüber den Ländern entwickelt, die für den Flüchtlingsstrom verantwortlich sind. Dazu gehört auch Deutschland“, sagt er. Aus Protest habe man dann in der Grenzregion vermehrt Dansk Folkeparti gewählt. Landesweit zog die DF als zweitstärkste Kraft ins Folketing ein.  Seitdem ist die DF im dänischen Parlament das Zünglein an der Waage. „Ob es die Sozialdemokraten, die Konservativen oder Venstre sind, alle drei Parteien ringen darum, mit der Dansk Folkeparti zusammenzuarbeiten, weil sie Königsmacher sind“, sagt Jørgen Popp Petersen von der Schleswigschen Partei in Tondern.

Die 5 stärksten Parteien im dänischen Parlament (Folketing):

Venstre: 
rechtsliberal, konservativ
Dansk Folkeparti: 
nationalkonservativ, oft als rechtspopulistisch bezeichnet
Socialdemokratiet:
Sozialdemokraten, vergleichbar mit der deutschen SPD
Enhedslisten:
sozialistisch, umweltpolitisch aktiv
Liberal Alliance: neoliberal, versteht sich als Brücke zwischen rechtem und linkem Lager

Davon, Königsmacher zu sein, ist die AfD in Deutschland dagegen weit entfernt. Die schwachen Wahlergebnisse in der Grenzregion sind für Karl-Hermann Abraham auch eine Mentalitätsfrage. „Die schleswig-holsteinische Mentalität ist für Veränderungen nicht so aufgeschlossen, die landwirtschaftlich orientierte Politik ist immer noch bei der CDU angesiedelt“, sagt der Kreisvorsitzende der AfD in Nordfriesland. Das habe zur Folge, dass die Partei kaum Stimmen bekomme. Zudem habe die Lucke-Spaltung ein tiefes Loch in die schleswig-holsteinische AfD gerissen. Es fehle an Personal und an der Bereitschaft, aktiv Politik in den dünnbesiedelten Gebieten in der Grenzregion zu betreiben. Die AfD legt den Fokus seit jeher auf bundespolitische Themen, was sich in den schwachen Ergebnissen am nördlichen Rand Deutschlands negativ bemerkbar macht. Doch mit fehlendem Personal hat auch die DF in Dänemark zu kämpfen. „In Tondern und anderen Kommunen hat die Dansk Folkeparti seit Jahren darunter gelitten, dass sie kein attraktives Personal aufstellen konnte“, sagt Volker Heesch, Redakteur bei der Lokalzeitung Nordschleswiger.  

Im Jahr 2015 kam es zu einem Machtkampf zwischen den AfD-Parteisprechern Bernd Lucke und Frauke Petry. Lucke wollte die AfD zu einer Partei machen, die nicht als rechtspopulistisch verschrien wird und die gleichzeitig kritisch über Themen wie die Einwanderungspolitik reden kann. Als Frauke Petry dann im Juni 2015 zur Parteivorsitzenden gewählt wurde, verließ Lucke die Partei und mit ihm hunderte Parteimitglieder. 

So bewerten dänische Politiker den Erfolg und Einfluss der Dansk Folkeparti

Trotzdem: In der Kommune Tondern verschafft die DF dem amtierenden Bürgermeister Henrik Frandsen von der regierenden Partei Venstre seine Mehrheit, und das bereits seit zwei Amtszeiten. „Wir sprechen kaum über Landesthemen“, sagt Frandsen. „Und kommunal sind die Unterscheide zwischen der DF und Venstre ganz klein.“

Randnotizen

Randnotizen ist ein Projekt des Jahrgangs 2016 der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft. Wir haben einen Blick an die Grenzen Deutschlands geworfen um zu erfahren, was unsere Nachbarn auf der anderen Seite umtreibt und bewegt. Aus jeder unserer Reisen ist eine Geschichte entstanden.

Tondern
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Die 5 stärksten Parteien im Folketing (dänisches Parlament):

Venstre: 
rechtsliberal, konservativ
Dansk Folkeparti: 
nationalkonservativ, oft als rechtspopulistisch bezeichnet
Socialdemokratiet:
Sozialdemokraten, vergleichbar mit der deutschen SPD
Enhedslisten:
sozialistisch, umweltpolitisch aktiv
Liberal Alliance: neoliberal, versteht sich als Brücke zwischen rechtem und linkem Lager

What about #Lucke-Spaltung

Im Jahr 2015 kam es zu einem Machtkampf zwischen den AfD-Parteisprechern Bernd Lucke und Frauke Petry. Lucke wollte die AfD zu einer Partei machen, die nicht als rechtspopulistisch bezeichnet wird und die gleichzeitig kritisch über Themen wie die Einwanderungspolitik reden kann. Als Frauke Petry dann im Juni 2015 zur Parteivorsitzenden gewählt wurde, verließ Lucke die Partei und mit ihm hunderte Parteimitglieder. 

Unsere Autoren

Niklas Zehbe und Maik Mosheim

Wir waren zum ersten Mal so weit nördlich unterwegs. Die Menschen in Tondern waren überaus freundlich und zuvorkommend. In Tondern wurden wir von beinahe allen Gesprächspartnern, auch einflussreichen Menschen, sofort geduzt. Während unserer Zeit in Dänemark sind wir außerdem zu waschechten Smorrebrod-Fans geworden, dem traditionell reich belegten Butterbrot aus Dänemark.

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